Kunst in Kirchen in der Wetterau 2017

Katharina Meister in der Markuskirche Butzbach

Die Serie mit dem Titel „Minus 2,8 Grad“ ist im Rahmen des Projektes Kunst in Kirchen in der Wetterau entstanden. Thema des Kirchenprojektes 2017 ist das Wort „Aufbrechen“. Angelehnt ist das Thema an das Luther Jahr, das Wort Aufbrechen also im Sinne der Reformation. Allerdings war den Künstlern freigestellt mit diesem Wort außerhalb des kirchlichen Bedeutungszusammenhanges zu spielen. In meinem Verständnis erlaubt das Wort Aufbrechen, sowohl im religiösen Sinne als auch im Bezug auf meine Serie zwei gegensätzliche Interpretationsansätze. Für mich steht das Wort in der Serie „Minus 2,8 Grad“ im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Positionierung der Menschheit zu dieser Thematik. Der Klimawandel stellt eine Bedrohung für das Leben auf Erden dar, zumindest für das Leben wie wir es heute kennen. Da der Klimawandel aber eine Menschen gemachte Problematik ist, kann diese auch vom Menschen gelöst werden. Die Menschen müssen sich entscheiden in welche Richtung sie „aufbrechen“ wollen: „Wollen wir weiter die Erde ausbeuten, oder wollen wir unser Handeln in nachhaltiger Weise verändern?“ Die Serie „Minus 2,8 Grad“ geht auf die Thematik des Klimawandels näher ein, indem sie dessen Auswirkung in der Region des Nordpols und der Anrainerstaaten genauer betrachtet.

Die Serie „Minus 2,8 Grad“ besteht aus sechs Arbeiten. Die Arbeiten haben einen narrativen Charakter. Sie wollen eine Geschichte erzählen, die mit der Flagge mit dem Titel „Um den Pol herum“ beginnt und mit einem Eisberg-Objekt endet. Zwischen diesem Anfangs- und Endpunkt werden vier Schwerpunkte bezüglich der Thematik betrachtet, die jeweils in einer Vitrine mit zugehöriger Zeichnung bearbeitet werden.

 

 

Um den Pol herum

Um den Pol herum ist eine Kreisförmige Zeichnung. Im Mittelpunkt des Kreises befindet sich der Nordpol. Darum herum ist der Kreis in vier gleichgroße Teile aufgeteilt, die thematisch die Worte Liebe, Auswirkung von Liebe, Sünde, Auswirkung von Sünde im Bezug auf das menschliche Verhalten um die Region des Nordpols zeichnerisch und symbolisch thematisieren. So steht im 1. Segment eine heile Natur, einer Zerstörten im 3. Segment gegenüber, nachhaltiges Verhalten im 2. Segment ausbeuterischen Verhalten im 4. Desweiteren erkennt man das Christus Monogramm, das über die ganze Thematik gelegt wurde. Es steht als  Symbol für Frieden und Hoffnung, und somit der Möglichkeit der Aussöhnung zwischen den hier aufgezeigten Polen gegensätzlichem Verhaltens.

Minu 2,8 Grad

Die Arbeit „Minus zwei Komma acht Grad“ spielt mit dem Entstehen und Schmelzen von Meereis. Der Gefrierpunkt von Meerwasser liegt bei -2.9°. Es genügt aber nicht, dass nur die Oberfläche des Meerwassers diese Temperatur hat, sondern Meerwasser bis zu einer Tiefe von 100 Metern muss eine Temperatur von -2,8° haben, damit dann als nächster Schritt bei -2,9° Meereis geformt werden kann. Wissenschaftler sprechen von einer Sisyphus Arbeit, wenn sie von der Bildung von Meereis sprechen. Denn mit der Klimaerwärmung gibt es nicht mehr ausreichend lange Kälteperioden um das Meerwasser auf gewünschte Temperatur herab zu kühlen und jährlich schmilzt mehr Eis, als neues geformt wird. In der Vitrine, wie auch in der Zeichnung ist jeweils eine dunkle, runde Form zu erkennen, sie spielt auf die Steinkugel an, die Sisyphus den Berg hochrollen muss – in den Arbeiten muss aber die Kugel einen Eisberg hochgerollt werden. Wir Menschen schaffen es derzeit nicht diese Aufgabe zu bewältigen und unser Verhalten so zu verändern, dass die Klimaerwärmung rückläufig wird…die Zeichnung spielt aber darauf an, dass wir genug Wissen und Intelligenz haben um es schaffen zu können unser Verhalten und Bedürfnisse so auszulegen, dass wir im Gleichgewicht mit unserer Umgebung leben. Deshalb befindet sich die Kugel in der Zeichnung nicht nur auf dem Gipfel des Eisberges, sondern auch auf dem Kopf eines Menschen, der diese geschickt balanciert.

Walk the plank

In der Arbeit „Walk the Plank“ wird das Schmelzen des Nordpols mit unserm ökonomischem System in Zusammenhang gebracht. In der Vitrine befindet sich der Nordpol auf der Planke, wie ein Verräter auf einem Piratenschiff. Eine Schleudervorrichtung ist gespannt, die Spannung wird gehalten von Eiskristallen. Sobald alle Eiskristalle geschmolzen sind, löst sich die Spannung und die Schleuder schnellt nach vorne und schießt den Nordpol in den Abgrund. Die Planke auf der der Nordpol am Abgrund steht ist sinnbildlich für unser Wirtschaft gewählt, das ein lineares Ökonomisches System ist…wir brauchen alles auf, streben nach unendlichem Wachstum, etwas, das auf einer endlichen Fläche – der Erde – nicht möglich ist. In der Zeichnung ist eine Abwärtsbewegung des Nordpols zu erkennen und das Gesicht eines Mannes. Der Mann steht für einen australischen Mienenarbeiter. Die Mienen und deren Führung und Einfluss auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind ebenfalls ein Sinnbild für die lineare Ökonomie. Allerdings befindet sich  das Gesicht des Mienenarbeiters  in einem Kreis und auch der Nordpol in der Vitrine befindet sich in einem Kreis, denn es besteht die Möglichkeit unsere Ökonomie zu verwandel, bzw. umzugestalten in eine zirkuläre d.h. nachhaltige Ökonomie, in der Wachstum und Kapitalismus möglich, aber im Einklang sind, mit dem was uns zur Verfügung steht, ohne dabei Ausbeutung zu betreiben.

Der Kreisel dreht sich

Die Arbeit „Der Kreisle dreht sich“ greift ein Phänomen auf, das in den letzten Jahren in der russischen Taiga und Sibirien zu beobachten war. In diesen Regionen tauchen immer mehr Löcher im Erdboden auf, teils Kilometer lang, teils fast 100 Meter tief. Es gibt unterschiedliche Gründe für das Entstehen dieser Krater. Zum einen fanden Wissenschaftler heraus, dass die großflächigen Krater durch eine Kombination aus Abholzung und Permafrostschmelze entstehen; die runden, tiefen Krater durch Explosion von im Boden eingeschlossenen Methanblasen. Auch bei den Methankratern handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Folge des wärmeren Klimas, denn Methan siedet bereits bei einer Temperatur von -161,7°C. Auch wenn das Auftauchen dieser Krater für die gesamte Menschheit ein Mahnmal sein sollte, so sind sie vor allem für die Bewohner dieser Region angsteinflößen, denn es kann nicht genau vorhergesagt werden, wann und wo ein weiterer dieser Krater auftauchen wird. Die rot-orange unterlegte Fläche in der Arbeit ist ein Abbild eines Permafrost Kraters, auch als Batagaika-Krater bekannt. Die runden, grünen Flächen stehen für die Methan-Krater. Wie auch der Titel der Arbeit vermuten lässt, befindet sich links in der Arbeit ein kreiselähnliches Objekt. An ihm hängen vier unregelmäßige, weiße Pyramiden. Sie sollen Abbild für das Methanmolekül sein, das aus einem Kohle- und vier Wasserstoffatomen besteht. Aufgrund der Eigenschaften eines Kreisels wurde dieser hier in Verbindung mit dem Methankrater gebracht. Ein Kreisel steht so lange aufrecht, solange seine Drehgeschwindigkeit hoch genug ist, wird diese zu langsam, beginnt er zu eiern und fällt um. Es ist allerdings nie genau vorherzusagen, wann und wo der Kreisel umfällt, ebenfalls ist nicht genau vorherzusagen wann und wo der nächste Krater auftauchen wird. In der linken oberen Bildecke befindet sich ein kreisrunder, schwarzer Scherenschnitt. Kreisrund als Sinnbild für die Erde, Elemente von Natur und Technik enthaltend, die Gegeneinader ankämpfen für ihren Platz auf Erden. In der Zeichnung ist eine weibliche Menschengestalt über diese Kreisform gebeugt. Ihre Hände sind so positioniert, als bewege bzw. drehe sie diese abstrakte Erddarstellung. Dies ist ein Zeichne dafür, dass es in der menschlichen Hand/Macht liegt, wie sich unsere Erde weiterentwickelt. Wie im Falle der Methanlöcher, fühlen wir uns Umweltphänomenen gegenüber oft ausgeliefert, doch Wissenschaftler bezeichnen unser Zeitalter als das Zeitalter des Menschen und nennen es Anthropozän; ein Zeitalter indem das Klima nicht mehr nur durch natürliche Phänomene entsteht, sondern zum Großteil vom Menschen selbst erzeugt wird.

Flagge Zeigen

In der Arbeit „Flagge zeigen“  wird auf die Aktion Russlands angespielt, die 2007 mit zwei U-Booten auf den Grund des Nordpols getaucht sind und hier eine russische Flagge positioniert haben, als Zeichen ihres Besitzanspruches auf diese Region. Doch nicht nur Russland sondern auch die anderen Anrainerstaaten um den Nordpol, machen Besitzansprüche auf diese Region geltend, denn man möchte uneingeschränkten Zugang zu Ressourcen und seltenen Erden haben, die am Meeresgrund in der Polregion vermutet werden. Außerdem möchte man Handelsrouten für sich beanspruchen können. Dieses Verhalten stellt allerdings ein Widerspruch zum Hohe See Abkommen dar, das besagt, dass alle Meere von Besitzansprüchen ausgeschlossen sind. Wir Menschen neigen dazu uns Dinge anzueignen, sie besitzen zu wollen, und verlieren dabei aus den Augen, dass wir uns alle diese Erde teilen müssen und abhängig von ihr sind, nicht andersherum. Diesen Besitzansprüchen, die durch die an Flaggen erinnernden schwarzen Balken auf dem Grund des Meeresbodens in den Arbeiten dargestellt werden, werden  ein Gesicht eines Inuit und Formen von Federn gegenübergestellt. Die Federn sollen als Symbol für Freiheit stehen und somit auf die Freiheit der Meere hinweisen. Das Inuit Gesicht, steht stellevertreten für die Ureinwohner der Arktis, die nicht wie andere Völker auf einem Kontinent leben, sondern auf mehreren Kontinenten, die zur Arktis gehören, verteilt leben. Das Wort Inuit bedeutet übersetzt „Menschen“ oder die „Menschheit“.  Dies schien mir ein schönes Bild zu zeigen, dass wir alle gemeinsam auf dieser Erde leben, wir alle sind Menschen und gehören somit zu einem Volk, wir sind alle gemeinsame Bewohner dieser Erde und müssen somit diese nicht in Kämpfen unter uns aufteilen, sondern sollten lernen friedlich und gemeinschaftlich auf ihr zu leben.

Eisberg

Der Eisberg ist Sinnbild für das was es zu schützen gilt – im Schwinden des Eises können wir das Schwinden der Erde, so wie wir sie kennen, sehen. Der goldene Ring im Berg deutet auf zweierlei hin. In dem er nur noch halt an einem kleinen Zipfel im unteren Element des Eisberges findet, zeigt er die Zügigkeit mit der das Eis schwindet, als auch wie viel davon schon verloren ist. Als goldener Kreis wiederrum ist er Hoffnungssymbol, denn der Kreis als Zeichen für Einheit und die goldenen Farbe als Symbol für den Glauben an etwas sehr wertvolles, wollen sagen, dass immer noch die Möglichkeit besteht, dass wir Menschen zusammenhalten und daran glauben, dass wir gemeinsam Veränderung bewirken können - es noch schaffen können den Klimawandel wieder rückläufig werden zu lassen.

       

                                                               Katharina Meister, August 2017